Das Medium ist die Massage

Das Medium ist die MassageDie neue deutsche Plapperprosa als meisterliche Umsetzung des „Getup-Prinzips“

erschienen/erscheint bei:

die tageszeitung, 25/5/00

Entstehungszeitraum: 19/05/2000

Leseprobe

(Textauszug vom Anfang)

Ein Bürschlein, offensichtlich Luxusalkoholiker, bereist Deutschland, übergibt sich dabei mehrfach, findet es „irgendwie wahnsinnig rührend und nett“, daß ihm jemand die eigne Kotze aus der Spur wischt, und immer mal wieder – nicht etwa bloß, wenn einer versucht, „mir durch meine Hose hindurch seinen Finger in den Hintern zu stecken“ – beschleicht ihn das Gefühl des „Wichtigseins“: Schließlich trägt er bei seinen charmanten Abenteuern ein Kiton-Sakko, auf das man als Taxifahrer ganz eifersüchtig wird, weil man sich selber niemals eines leisten könnte – jedenfalls stellt sich unser Fant das so vor -, weswegen der Taxifahrer auch noch „ein dickes Trinkgeld (kriegt), damit er in Zukunft weiß, wer der Feind ist.“
Das Bürschlein heißt Christian Kracht, seine verkatert dahinschnöselnde „Knabenwindelprosa“ – dies der Titel einer höchst erfrischenden Generalabrechnung von Feridun Zaimoglu – wie auch die seiner mittlerweile zahlreichen Nachahmer ist unter literarischem Gesichtspunkt nicht der Rede wert, kommt sie doch stilistisch so aufregend daher wie eine Novellensammlung des Herrn Schlink: präpräprämodern von A nach B und im bravsten Dudendeutsch erzählt. Weil aber natürlich auch die sogenannte Szene weiß, daß derlei direkt Von-sich-Gegebnes, vulgo Erbrochnes, noch lange keine Literatur ist (nein, es handelt sich hier ##nicht## um eine „bewußt gewählte Schlichtheit des Stils“, um „Simulation von Authentizität durch kunstvoll gehandhabte Kunstlosigkeit“ o.ä., daß ich nicht lache!), hat man flugs das Etikett „Popliteratur“ dafür erfunden: und damit eine Art Spaßliga-Prosa, in der keine Abseitsregeln mehr gelten, ja, in der man den Ball auch schon mal mit der Hand über die Linie schubsen darf, Hauptsache, es fallen möglichst viele Tore.
Doch was will uns das einstige Zauberwort „Pop“ hier eigentlich noch sagen? Nichts, aber auch gar nichts an dieser neuesten deutschen Plapperprosa ist Pop, umgekehrt wäre dann ja auch Verona Feldbusch eine Repräsentantin der Gegenwartsliteratur (…)