Freiheit oder Schönheit?

Freiheit oder Schönheit?Gastfreundschaft in West und Ost

erschienen/erscheint bei:

Deutsch-Chinesisches Kulturnetz/Länderportal China, 30/7/08;
http://www.de-cn.net

Entstehungszeitraum: 11/06/2008 - 06/07/2008

Übersetzungen

chinesisch (chinesisch/中文) 

Leseprobe

Mitten im alten China, Anfang der 80er-Jahre: Ich war mit einer Chinesin unterwegs, die sich in den Kopf gesetzt hatte, mir abseits des vorgegebenen touristischen Pfades das „echte“ China zu zeigen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir einer unserer spontanen Besuche bei Bauern: Nachdem man mich auf den Ehrenplatz genötigt hatte, gab es Tee mit Zucker, viel Zucker; und obwohl ich den Tee lieber ungesüßt getrunken hätte, war Widerspruch zwecklos. Zucker sei das Kostbarste, was man mir auf dem Land anbieten könne, so meine Reisebegleiterin, das dürfe man nicht ablehnen.
Und so ging es, im Prinzip, auch bei all meinen weiteren Reisen in den Fernen Osten zu, ob in China, Japan oder Korea, die Gastgeber waren stets bestrebt, mich gegen meinen Willen zu verwöhnen. Im Zweifelsfall sogar mit Wiener Schnitzel; daß ich viel lieber „authentisches“ Essen gehabt hätte, ließen sie nicht gelten. Rücksichtsloser kann Gastfreundschaft kaum sein: Man bekommt gegen seinen Willen nachgelegt und -geschenkt, muß auf Kommando singen, Trinksprüche erfinden und auf ex kippen, Stegreifgedichte zum Besten geben oder Lobreden auf das Land des Gastgebers; der Gast ist nichts anderes als ein Gefangener im goldenen Käfig, der durch permanente Entmündigung vollkommen mürbe gemacht wird – so jedenfalls könnte man’s als hartgesottener Westler sehen.
Und im umgekehrten Fall, wie mag man als Chinese deutsche Gastfreundschaft erleben? Vorsichtig formuliert