Glaubwürdigkeit

GlaubwürdigkeitWas den Schriftsteller vom Autor unterscheidet

erschienen/erscheint bei:

u.d.T. „Authentizität!“ auf: Focus Online, 24/12/10.

Entstehungszeitraum: 24/04/2010 - 18/07/2010

Leseprobe

Es ist erst ein paar Wochen her, daß ein scheinbar „ganz normales“ Schulmädchen den Eurovision Song Contest für Deutschland gewann; ihr Auftritt, auf bewegende Weise unspektakulär, verwies auf nichts Geringeres als das Kernproblem unsrer Zeit: die grassierende Uneigentlichkeit einer medial überformten Eventgesellschaft; mittlerweile hat der Wille zur Mediokrität weite Teile unsres öffentlichen Lebens als Musical reinszeniert.
Auch der Auftritt der deutschen Mannschaft bei der WM in Südafrika wird uns als eine veritable Überraschung in Erinnerung bleiben; und zwar nicht nur, weil unsre Elf dort so herrlich unbeschwert aufgespielt und nebenbei Engländer und Argentinier vermöbelt hat; sondern eben auch, weil die Spieler bei den anschließenden Interviews in erfrischender Weise Rede und Antwort standen – die Beherztheit auf dem Platz setzte sich vor den Mikrophen als Offenherzigkeit fort, die vor Kritik und Selbstkritik nicht Halt machte: Eine solche Unverstelltheit hatte man von Fußballern schon lange nicht mehr erlebt, auch wenn sie womöglich nur als eine besonders raffinierte Form der Unehrlichkeit vom Medienberater des Teams einstudiert war; schon die Tatsache, daß ein Thomas Müller das ehrliche Spiel zuallermindest mit uns ##spielte##, sicherte ihm unser aller Sympathien.
Selbst in der Politik passiert es ab und an, daß einem der Beteiligten ein überraschend offenes Wort herausrutscht. Welch ein Rauschen ging durch den Blätterwald, als Karl-Theodor zu Guttenberg, kaum im Amt des Verteidigungsministers, die „Friedensmission“ der Bundeswehr in Afghanistan als erster Politiker nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand als „Krieg“ bezeichnete! Wie wurde er da postwendend unter Rechtfertigungsdruck gesetzt! Nicht immer geht es so gut aus wie in seinem Fall, wenn sich bei Einzelnen die Wahrhaftigkeit Bahn bricht und sich sogleich die, sagen wir, systemimmanente Unwahrhaftigkeit des Ganzen dagegen zur Wehr setzt (…)