Sitzpinkler

SitzpinklerDie Grünen als Rasselbande, als Partei, als Witz

erschienen/erscheint bei:

u.d.T. „Die Unverwässerlichen“ in: die tageszeitung, 16/3/99; enth. in: Vom Verschwinden der Dinge in der Zukunft

Entstehungszeitraum: 26/02/1999 - 09/03/1999

Leseprobe

„Erst verbieten sie die Formel 1, dann das Pinkeln im Stehen und schließlich das Furzen ohne Kat“ – so habe ich das an der Bar des „Frank & Frei“ erlauscht, einer durchschnittlichen Hamburger Eckkneipe, und zwar schon lange ##vor## der Hessenwahl: Nicht erst seit gestern sind die Grünen zum Witz geworden. Spätestens seit Ende der 80er, da sich erst die weltpolitische Gesamtlage und dann alles änderte, konnten sie nurmehr diejenigen neu für sich gewinnen, die sich vor dem rapiden gesellschaftlichen Wandel in diverse Turnschuhnischen zurückzogen; was einmal eine durchaus avantgardistische Massenbewegung war, ist heute ein Sammelbecken für rückgewandte Loser. Selbst der ästhetische Sprung von Joschka Fischer in die maßgeschneiderten Probleme des Jahrhundertendes kann keinen darüber hinwegtäuschen, daß er eine zusammengekleckerte Schar an rigoristischen SelbstgeißlerInnen anführt, die – „Ja, ja! Nein, nein!“ rufend – in unsrer daxistischen Zweidrittelgesellschaft allenfalls als HeiligInnen noch eine Chance haben könnten.
Nun leben wir in Zeiten, die mit ##sämtlichen## Ideologien und den darin enthaltnen Utopien abgeräumt haben, in Zeiten, da’s bereits als Intellektualitätsnachweis gilt, sich auf keine Meinung festzulegen, sondern mit seinen postmodernen „Widersprüchen“ zu kokettieren, in Zeiten also, deren freischwebende Ironie jeden Fundamentalismus zersetzt, auch einen grünen. Die einzig adäquate Haltung angesichts eines gesamtgesellschaftlich drohenden Zynismus wäre’s freilich, Ironie und Utopie zu verbinden, sprich, der beispielsweise grünen Weltanschauung eine zeitgemäße Außenhaut an Esprit und Charme zu verpassen, ihren alten Furor mit neuen spielerischen Elementen zu versetzen. So daß aus ihrer starren 70er-Jahre-Doktrin eine flexible Struktur an Kernideen entstünde, die an den Rändern stets aufnahmefähig wäre für alles, das ihr der Zeitgeist an neuen Widerständen entgegenstemmt – selbst für vorübergehende Inkohärenzen.
Auch Ideologien unterliegen nämlich dem Prozeß der Auslese; und gerade weil die kapitalistische Denkart inzwischen drauf & dran ist, als einzige Art zu überleben, bräuchten wir schleunigst ein paar qualitative Mutationen bei ##allen## noch verbliebnen Gegenvisionen, um uns nicht im Hamsterrad eines hedonistischen Gegenwartsfetischismus totzulaufen (…)