Unter Büchern

Unter BüchernEin Wochenende mit den zwanzig Spitzentiteln der Bestsellerliste (19/7/02)

erschienen/erscheint bei:

gekürzt in: Allegra 11/02

Entstehungszeitraum: 01/08/2002

Leseprobe

(Textauszug vom Anfang)

Weiße Rosen im Lift, gelbe Rosen auf dem Fernseher, rote Rosen am Waschbecken. Dazu ein Tellerchen Trockenblüten, eine putzige Klobürste, kaum größer als eine Zahnbürste, andrerseits derart riesige Badehandtücher, daß man sich schwertut mit dem Abtrocknen: So also sieht das Leben aus, wenn man sich‘s von der ##Allegra## finanzieren läßt.
Deren Idee, ausgerechnet mich ein Wochenende lang im noblen „Hotel Atlantic“ auszuhalten, hat natürlich einen Haken: ##Mit## mir, sozusagen als Zimmer- oder gar Bettgenossen, hat man 20 Bücher dort eingesperrt, doch nicht etwa die, die ich schon immer mal hätte lesen sollen, im Gegenteil: In meiner gedämpft pastellfarbenen „Junior Suite“ liegen die aktuellen Spitzentitel der Bestsellerliste, und daß sich einer wie ich seit Jahren mit allerhand Vorurteilen gegen derlei „Schund“ abzuschotten sucht, scheint denen von der ##Allegra## gerade recht zu sein.
Im übrigen soll mein Artikel erst im Herbst erscheinen, zur Zeit der Frankfurter Buchmesse: An die 90.000 deutschsprachige Neuerscheinungen sind dort alljährlich zu beklagen, und wer sich ihrem Anblick aussetzt, ohne dabei die meiste Zeit beide Augen zuzudrücken, der wird bald die Hände vor der Stirn zusammenschlagen: Bloß kein bedrucktes Papier mehr! Eine ähnliche Reaktion, so vermute ich, erwartet die ##Allegra## auch von mir: In Zeiten der Reizüberflutung mögen ja wirklich schon 20 Bücher ausreichen, um selbst notorische Vielleser zur Verzweiflung zu treiben. Was die ##Allegra## freilich ##nicht## weiß, ist, daß ich schon vor Jahren aufgehört habe mit dem Viellesen, daß ich seitdem jedes Buch bis zum Erweis des Gegenteils für überflüssig halte, möglicherweise berufsbedingt, daß ich hingegen erklärter Freund von Listen bin: Eine kurze Tabelle kann mehr aussagen als ein langer Prosatext; und insbesondre dann, wenn die Fülle der Eindrücke überhandzunehmen droht, wirkt deren bloße Numerierung oft Wunder. Was also wird wohl eine Bestsellerliste über den deutschen Durchschnittsleser aussagen? Dasselbe, was eine Autobahnfahrt über den deutschen Durchschnittsautofahrer aussagt: nur Gutes selbstverständlich, nur Gutes!
Zugegeben also, daß ich mit einem Haufen Vorurteile an diesem Freitag anreise (…)