„Beim Laufen entstehen Gedichte“

„Beim Laufen entstehen Gedichte“Interview: Jörg Kramer

erschienen/erscheint bei:

Der Spiegel Nr. 17, 18/4/15

Entstehungszeitraum: 15/04/2015

Interview

Startzone. Matthias Politycki steckt mitten in der Vorbereitung zum Hamburg-Marathon. Jedes Wochenende steht ein langer Lauf auf dem Programm, die längsten über 30 Kilometer. Gerade ist sein Buch „42,195. Warum wir Marathon laufen und was wir dabei denken“ erschienen. Mein Lieblingssatz darin: „Wer lange Läufe macht, will weder originell sein noch sich originell geben.“
Der Schriftsteller sieht drahtig aus, liegt nur noch zwei Pfund über seinem idealen Wettkampfgewicht von 75 Kilogramm. Er frühstückt deftig, mit Wurst, Käse, Ei, Kaffee. Warum wir uns sofort duzen? „Wer gemeinsam viele kleine Tode stirbt, der siezt sich nicht“, erklärt der Dichterfürst.

1. Frage: Salami auf Weizenmehlbrötchen? Da ballen sich leere Kohlenhydrate, Fett und totes Tier. Der letzte Läufer ohne Ernährungsreligion?

Und ich schäme mich nicht mal. Mein Trainer ist Veganer und topfit, ich bin kein Veganer und auch topfit.

2. Frage: Am meisten leiden Form und Laune bei Qual oder Entbehrung. Muss ein Marathon-Training immer Bestrafung sein?

Für mich ist es eine Reinigung. Ich trinke weniger Alkohol, achte auf Regeneration, höre auf meinen Körper. Es ist wie eine Kur. Nach dem Rennen kehre ich wieder ins pralle Leben zurück.

3. Frage: Eine Kur wird erst durch den Kurschatten schön. Marathonis aber sind für Lebensfreude, Sex überhaupt nicht zu gebrauchen, oder?

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