„Die Sehnsucht ist eine Hure“

„Die Sehnsucht ist eine Hure“Interview: Bernhard Blöchl

erschienen/erscheint bei:

Kultur in München/Süddeutsche Zeitung, 15/4/20; Zum kompletten Interview

Entstehungszeitraum: 02/04/2020 - 12/04/2020

Interview

Ihr neuer Roman ist als Spitzentitel bei Hoffmann und Campe erschienen. Kaum war das Buch auf dem Markt – in der zweiten Auflage wohlgemerkt –, mußten die Buchhandlungen schließen. Was bedeutet das für einen Autor?

Matthias Politycki: Es ist wohl das größte anzunehmende Unglück, das einem Buch passieren kann. Ein neuer Roman braucht auf seinem Weg zum Leser die Begeisterung derer, die ihn schon gelesen haben – und das sind die Buchhändler. Für Gespräche mit Kunden über Lektüreeindrücken ist jetzt kaum Gelegenheit, die Buchhändler sind als Radkuriere unterwegs, ein Glück im Unglück.

Als Schriftsteller sind Sie gern unterwegs. Wie hat sich Ihr Alltag während der Ausgangsbeschränkungen verändert?

Der pendelt sowieso sehr stark zwischen Reisen und Schreibklausur. Vor Corona war ich etwa die Hälfte des Jahres unterwegs. Aus den Reisen habe ich Kraft und Inspiration rausgeholt und war dann sehr konzentriert in den Schreibphasen zuhause. „Das kann uns keiner nehmen“ habe ich im vergangenen Sommer in unserer kleinen Münchner Wohnung geschrieben; damals bin ich (fast) nur zum Laufen raus – und habe (fast) nichts vermißt. Nun bin ich wider Willen zu einer Schreibphase gezwungen, wo ich eigentlich auf Lesereise sein wollte. Mei.

Auf Facebook haben Sie kürzlich Erinnerungen gepostet an Ihren Afrika-Trip 2018, der maßgeblich dazu beigetragen hat, den Roman überhaupt zu schreiben. Der Organisator Ihrer Kilimandscharo-Wanderung, King Charles nennen Sie ihn, hat Ihnen eine E-Mail geschickt, daß man nun auch in Tansania Angst vor Corona hat. Wie ist die Situation dort gerade?

Es wundert mich, daß in den Medien so wenig von Ländern berichtet wird, die nicht gerade Brennpunkte wie Italien, Spanien oder die USA sind. Dabei wird Afrika, wie ich befürchte, noch mal sehr wichtig werden im Weltdrama der Corona-Pandemie. Die Ausgangslage ist dort eine viel schlimmere als bei uns. King Charles hat nur geschrieben: „Please put us in your prayers!“, betet für uns! Damit ist alles gesagt.

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