„Es gibt männliche Tugenden, die wir jetzt brauchen“
„Es gibt männliche Tugenden, die wir jetzt brauchen“Gespräch mit Birgit Schmid
NZZ, 7.3.2025; NZZ, Internationale Ausgabe, 8.3.2025; auf nzz.ch u.d.T. „Wir haben uns jahrelang darin gefallen, auf Trump herabzuschauen. Doch das ist noch keine Strategie“, sagt der Schriftsteller Matthias Politycki“, zur Seite der NZZ
Entstehungszeitraum: 04/03/2025 – 06/03/2025
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Herr Politycki, letzte Woche entgleisten die diplomatischen Gespräche zwischen Donald Trump und Wolodimir Selenski im Weissen Haus. Von was für einer Männlichkeit wurden wir da Zeugen?
Bei Trump haben wir die alte Männlichkeit in einer ihrer unangenehmsten Ausprägungen gesehen. Allein seine Körpersprache und Mimik, die reinste Machtdemonstration. Dazu der erhobene Zeigefinger, mit dem man einen kleinen Jungen belehrt, und die mehrfache Wiederholung des Satzes, Selenski habe schlichtweg zu schlechte Karten, um ihm gegenüber auch nur irgendeine Forderung stellen zu können. Beeindruckt haben mich aber die Europäer.
Sie meinen die westlichen Staats- und Regierungschefs, die der britische Premier Keir Starmer nach dem Eklat zu einem Gipfel nach London eingeladen hat?
Genau, das war ein regelrechter Schulterschluss. Zum ersten Mal seit Kriegsbeginn in der Ukraine hat man das auch glaubhaft vermitteln können. Dabei verkörperten die Repräsentanten des Westens ja bislang eher eine neue Männlichkeit, die weicher und femininer angelegt ist und ständig die eigene Rolle hinterfragt. Angesichts der Notlage, in die Europa plötzlich geraten ist, haben sich die Regierungschefs einige Qualitäten der alten Männlichkeit in ihr Auftreten zurückgeholt, allem voran: Entschlossenheit. Die Bereitschaft, etwas zu verteidigen, auch wenn man dabei selber ein hohes Risiko eingehen muß.
Sie kritisieren in Ihrem neuen Buch den woken Zeitgeist, der den gebändigten Mann hervorgebracht habe. Dieser sei allzu empathisch und wolle immer noch der bessere Feminist sein. Dankt diese neue Männlichkeit gerade ab?
Der Gipfel in London gibt mir Hoffnung, daß es etwas zwischen alter und neuer Männlichkeit gibt, wobei da natürlich auch drei Frauen dabei waren. Gegen alte Geschlechterstereotypen, die den Mann vornehmlich als harten Kerl inszenieren, kann man mit einem aufgeklärten, emanzipierten Verständnis von Männlichkeit durchaus bestehen – vorausgesetzt, man erinnert sich einiger Aspekte herkömmlicher Männlichkeit und verbindet sie mit denen der neuen Männlichkeit. Dann ist und bleibt Empathie eine wichtige Eigenschaft, erst sie ermöglicht Diplomatie, also Deeskalation auf staatspolitischer Ebene.
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