Herzland der Lyrik

Herzland der LyrikGespräch mit Ingrid Brunner

erschienen/erscheint bei:

Süddeutsche Zeitung, 4/11/11

Entstehungszeitraum: 25/10/2011

Interview (Kompletter Text)

Am Freitag hat Kurator und Schriftsteller Matthias Politycki in München seine Pläne für das forum:autoren im November vorgestellt. Es soll eine Standortbestimmung deutschsprachiger Literatur liefern, sagt er im Buchjournal-Interview.
Das forum:autoren ist eines von drei Standbeinen des Literaturfests München (10. bis 27. November). Nach Ilija Trojanow ist in diesem Jahr Matthias Poltitycki verantwortlicher Kurator der Verantaltung, zu der er 50 Autorinnen und Autoren eingeladen hat.

Was kann das Publikum vom diesjährigen forum:autoren erwarten?

Noch in den 90er Jahren galt deutsche Literatur im Ausland oft als provinziell und langweilig. Das hat sich gewandelt, die Literatur hat sich geöffnet für neue Themen, neue Stillagen, ein ganz neues Selbstverständnis. Unser Ziel ist es, diesen Reichtum vorzustellen, eine die Saison überdauernde Standortbestimmung deutschsprachiger Literatur vorzunehmen.

War dieser Fokus eine Vorgabe der Veranstalter an Sie als Kurator im Jahr 2011?

Im Gegenteil, es war der meine, etwas anderes hätte ich nicht machen wollen. 2012 wird das forum:autoren ja wieder einen ganz anderen Schwerpunkt haben. Auf diese Weise bekommt das Publikum jedes Jahr ein anderes Literaturfest – Subjektivität ist hier also Programm.

Nach welchen Kriterien haben Sie die 50 eingeladenen Autorinnen und Autoren ausgesucht?

Ein Schriftsteller ist mehr als die Summe seiner Bücher, er arbeitet an einem Werk, hat einen Standpunkt, eine unverwechselbare Stimme – im Lauf der Jahre bekommt man ganz gut mit, wer einer ist. Bei Jens Sparschuh oder Burkhard Spinnen beispielsweise musste ich nicht lange nachdenken: Wenn es um eine Standortbestimmung geht, gehören sie unbedingt dazu – auch wenn sie in diesem Jahr gar kein neues Buch veröffentlicht haben.

In München wird aber nicht nur gelesen, sondern auch diskutiert. Kommt Ihnen in den Medien und in der Öffentlichkeit die Auseinandersetzung über Literatur denn zu kurz?

Das Klima dieser Auseinandersetzung hat sich seit den 1980er Jahren sehr verändert. Wir möchten mit den Debattenformaten im forum:autoren frische Impulse setzen, wünschen uns substantielle Anregungen auch über den Tag hinaus. Aus diesem Grund sind unsre Autoren auch nicht nur für eine einzige Veranstaltung vor Ort, sondern in der Regel für drei Tage. Auf daß genug Raum ist für Gespräche – die öffentlich geführten wie diejenigen, die sich daran hoffentlich anschließen.

Diskutiert, aber auch gefeiert wird später am Tag dann im „Salon der lebenden Schriftsteller“ – geöffnet für jedermann?

Selbstverständlich, der Salon ist ja Teil des Programms, sogar ein besonders wichtiger. Er findet jeden Werktag ab 22 Uhr im Literaturhaus statt und wird reihum von einem Münchner Verlag ausgerichtet. Wer tagsüber eine spannende Veranstaltung erlebt hat, will sich darüber doch unterhalten!

Was wird Ihr persönliches Highlight sein?

Da ich als Schriftsteller selber von der Lyrik her komme, habe ich mich auch als Veranstalter besonders darum bemüht: um Lyriker nämlich, die uns mit ihren Gedichten nicht nur vor intellektuelle Rätsel stellen, sondern uns mitreißen und begeistern. Am Samstag, 12. November, werden in der Muffathalle sechs der besten Lyrikperformer Deutschlands zu erleben sein. Einen Tag später treten in der Lyriklounge im Club Ampere zehn ganz unterschiedliche Lyriker auf, von F.W.Bernstein bis Ulla Hahn.

Seit Ende 2010 arbeiten Sie und Ihr Team am Programm – kommt da nicht die eigene schriftstellerische Arbeit viel zu kurz?

Definitiv! Und ohne das Team wäre es nie zu schaffen gewesen; stellen Sie sich alleine mal vor, was dafür alles gelesen und diskutiert werden mußte! Und dann will man ja auch mit jedem der Eingeladenen ausführlich gesprochen haben, möchte, daß er sich in unserem Programm und späterhin am Veranstaltungsort, im Hotel, in der Stadt wohlfühlt – da gibt es jede Menge zu bedenken, zu telephonieren, zu korrespondieren, zu konferieren. Fürs eigene Schreiben bleibt da keine Kraft.