„Laufen macht furchtbar gute Laune“

„Laufen macht furchtbar gute Laune“Interview: Thomas Klingebiel

erschienen/erscheint bei:

Neue Westfälische, 28./29.3.2015

Entstehungszeitraum: 25/03/2015

Interview (Kompletter Text)

Sind Sie auch einer der Quereinsteiger, die mit 40 der Midlife crisis davonlaufen wollten?

Nein, ich bin schon als Jugendlicher gelaufen, einfach weil es mir Spaß gemacht hat. Offensichtlich fand ich dabei etwas andres als beim Kicken oder Skifahren – und finde es noch heute.

Aber heute sind Sie ein Marathonläufer, da geht es um mehr als um Spaß …

Allerdings, Marathon ist eine ernste Angelegenheit, da geht es um Überwindung von Schmerz und ums ganz große Glück, das dahinter kommt. Meinem alten Leben davonrennen wollte ich dabei übrigens nie. Ich bin einfach über die Jahre immer längere Strecken gelaufen, irgendwann wollte ich’s dann wissen.

Und wann sind Sie Ihren ersten Marathon gelaufen?

Im April 2012. Danach wußte ich, dass ich mit dem Thema noch lange nicht durch war. Nicht zuletzt, weil auch dieser Lauf ein großartiges Freundschaftserlebnis war.

Ein Freundschaftserlebnis? Das hört man selten von Marathonläufern.

Die Monate des Trainings habe ich mit meinen Freunden Seb und Onkel verbracht, übrigens zwei der Hauptfiguren in meinem neuen Buch „42,195“. Die Gespräche, die man bei Dreistundenläufen führt, sind anders als die, wie man sie sonst führt. Laufkumpel rangieren direkt hinter Ehepartnern, sie wissen alles voneinander und sie sagen es auch.

Obligatorische Frage an einen Schriftsteller: Sind Sie beim Laufen besonders kreativ?

Kreativ sein sollte ich ja eigentlich immer, dazu laufe ich nicht. Doch gerade beim Laufen überraschen mich oft Einfälle, die ich am Schreibtisch nie gehabt hätte. Manchmal entstehen dabei ganze Gedichte, auch im Rhythmus des Laufens: „Laufen, laufen, nichts als laufen, durch den Park und die Alleen…“ Oder ganze Handlungsstränge von Romanen. Beim Laufen wird eben auch das Gehirn durchgeschüttelt.

Dann kam Ihnen die Idee zu Ihrem Marathonbuch auch beim Laufen?

Klar, und von da an machte ich nach jedem Lauf erst mal Notizen. Je länger die Läufe, desto umfassender erfährt man sich dabei als Mensch und als Mitmensch neu, man bekommt einen anderen Blick auf die Welt und die Gesellschaft, in der wir leben. Darüber wollte ich schreiben, über unsre Hoffnungen, unsre Sehnsüchte und all das andre, was wir im Alltag sonst nie so direkt erfahren.

Hat das Schreiben des Schriftstellers etwas mit dem Lauftraining des Läufers gemeinsam?

Insbesondere Roman-Schreiben hat viel mit Marathon-Laufen zu tun. Ein Roman ist eine lange Strecke mit allerhand unbekannten Schikanen, eine Art Cross-Marathon. Um bis zur letzten Seite durchzukommen, muß man sich gründlich vorbereitet haben. Während der Niederschrift selbst erlebt man ähnliche Höhen und Tiefen wie beim Marathon, von der Euphorie des Starts bis zur Glücksdepression im Ziel.

Wir Läufer freuen uns auf Ihr neues Buch. Es gibt ja wenig genug Schriftsteller, die sich dieses Themas annehmen. Danke schon im Voraus dafür.