„Sprachverbote sind gefährlich“

„Sprachverbote sind gefährlich“Interview: Dierk Wolters

erschienen/erscheint bei:

Frankfurter Neue Presse, 2/4/22.

Entstehungszeitraum: 24/03/2022 - 28/03/2022

Interview

Lieber Herr Politycki, lebt es sich denn in Wien jetzt besser als in Hamburg?

Während des Lockdowns war ich zum ersten Mal so richtig festgesetzt in deutschen Befindlichkeiten. Je länger, desto anstrengender fand ich es, in welchem Ton diskutiert wurde und immer mit „klarer Kante“. Irgendwann war mir die ganze Sprache verleidet. Natürlich gibt es in Wien ähnliche Diskussionen. Doch der Wiener Charme kann in einem Halbsatz Gegensätze versöhnen, dazu kommt die permanente Abmilderung durch den Konjunktiv – und schon läßt sich wieder über alles reden.

Sie sagen, die Sprachkontrolle, die mittlerweile in Deutschland ausgeübt wird, schränke Ihre Freiheit ein. Haben Sie ein Beispiel dafür?

Ohne Selbstzensur wird sich heute kaum noch jemand öffentlich äußern. Und immer häufiger kommt Zensur von außen dazu: Denken Sie an einen Autor wie Sören Sieg, der ein Manuskript über Couchsurfing in Afrika bei seinem Verlag abgab und es – von einer Sensitivity Readerin kommentiert, wie man in der FAZ kürzlich nachlesen konnte – zur politisch korrekten Bearbeitung zurückbekam. Was kann man über Afrika noch schreiben, wenn jedem Weißen von vornherein ein kolonialistischer Blick unterstellt wird?

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