美丽、遥远又野性 (Schrecklich schön und weit und wild)
Übersetzt von: Liying Scheinhardt-Zhu
Weidu/Unread, Bejing, june 2023
257 pages | 78.00 RMB
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Content Table
目 录
中文版序言 1
前言 告别旅行 5
第一章 渴望远行 1
第二章 读图的兴致 7 第三章 轻装旅行的谣言 14
第四章 致过客 20 第五章 最初的震撼 21
第六章 纯粹体验 26
第七章 保持你的本色 32
第八章 旅行的足迹 38
第九章 按图索骥 45
第十章 城市漫游(1) 51
第十一章 城市漫游(2) 57
第十二章 和本土人斗智 63
第十三章 美的冲击 71
第十四章 世界的背面 77
第十五章 垃圾山 82
第十六章 从何时起度假成为旅行 85
第十七章 纯净的眼睛、冰冷的目光 93
第十八章 棕榈树下的孤独 101
第十九章 非常美好的一天 107
第二十章 震惊与抵抗 110
第二十一章 太虚幻境 116
第二十二章 彼岸世界短途之旅 118
第二十三章 寻找失落的信仰 125
第二十四章 “我是黑人,但我不黑!” 132
第二十五章 成为另一个人 139
第二十六章 黑夜降临 146
第二十七章 沮丧 152
第二十八章 小禅教 153
第二十九章 来自锡金的三位死者 159
第三十章 边境 165
第三十一章 佛塔的朋友 171
第三十二章 在庆州的羞耻 178
第三十三章 似懂非懂 186
第三十四章 荒诞斯坦国 192
第三十五章 日本和服与德国束腰裙 199
第三十六章 何时才算真正进入一个国家 207
第三十七章 赢得友谊 214
第三十八章 你们没看到的 220
第三十九章 首先 227
第四十章 今日家乡何在 228
第四十一章 我的第一张地毯 234
第四十二章 成功与失败 241
第四十三章 激情已逝 247
致谢 257
Vorwort zur chinesischen Ausgabe
Vorwort für die chinesische Ausgabe
Shanghai … Im Herbst 2018 hatte ich als Gast der Shanghai Writers’ Association zwei Monate lang Zeit, mir die Stadt in Ruhe und auf ganz andre Weise anzusehen als die beiden Male, da ich es als Tourist getan – im Rahmen einer Rundreise 1985, wo es in Shanghai noch keinen einzigen Wolkenkratzer gab (und niemanden, der Englisch sprach), dann wieder 2001, wo ich eine knappe Woche Zeit hatte, das neue Pudong zu bestaunen.
Nun machte ich lange Läufe durch die Stadt, indem ich mit der U-Bahn irgendwohin fuhr und dann durch völlig „normale“ (also touristisch „uninteressante“) Stadtviertel zurück zum Jing’an-Tempel lief, wo ich wohnte. Ich fuhr mit dem Didi-Taxi über die 30km lange Brücke bis zur Hafeninsel Shenjia im Ostchinesischen Meer, fuhr mit dem Bus an die Mündung des Yangtse, fuhr mit dem Riesenrad eines Einkaufcenters oder mit einer kleinen Fähre über den Huangpu, fuhr sogar nach „Anting German Town“, einem Vorort weit draußen im Nordwesten, wo es eine seltsame Mischung deutscher Ingredienzen von Goethe und Schiller über eine „Bayreuth Concert Hall“ bis zum FC Bayern zu besichtigen gab. So lernte ich ein Shanghai kennen, das einem Touristen schon aufgrund seiner begrenzten Zeit verborgen bleibt, ein Shanghai jenseits des Massentourismus. Ich bereiste Shanghai, indem ich mich so untouristisch wie möglich verhielt – und vom Unterschied zwischen Reisen und Tourismus handelt ja auch das vorliegende Buch.
Eine Stadt ist mehr als die Summe ihrer Sehenswürdigkeiten, viel mehr! Doch selbst wenn ich Sehenswürdigkeiten besichtigte und mich in Touristenströme einreihte, die ich ansonsten zu vermeiden suchte, kam ich aus dem Staunen nicht heraus: Als ich am Drehkreuz stand, das den Eintritt in die ummauerte Altstadt von Zhujiajiao regulierte, dem „Venedig Shanghais“, las ich auf einem Schild die Anweisung des Tourismusmanagers: daß pro Tag maximal 33784 Besucher erlaubt waren, gleichzeitig höchstens 14077. Weil ich es kurios fand, daß man kein glattes Limit vorgegeben hatte, schrieb ich mir die Zahlen auf. Kaum hatte ich das Drehkreuz passiert, begriff ich, daß die Vorgaben des Tourismusmanagers weniger kurios als äußerst sinnvoll waren – ohne Regulierung des Touristenstroms wäre es in den engen Gassen von Zhujiajiao an diesem sonnigen Tag gewiß zum Chaos gekommen.
Der Massentourismus hat das Reisen verändert, und es hat keinen Sinn, sich darüber – und etwa den Verlust der „Authenzität“ der bereisten Orte – zu beklagen. Wir sind alle Touristen, jedenfalls immer mal wieder, die ganze Welt ist in Bewegung geraten. Trotz aller Einschränkungen, denen wir uns aufgrund unsrer schieren Anzahl da und dort zu fügen haben, ist eine Reise – jede Reise – eine unglaubliche Bereicherung unsres Lebens. Man muß sich dessen bewußt bleiben, auch wenn man an überfüllte Orte kommt und als 33785ster die Sehenswürdigkeit gar nicht besichtigen darf, deretwegen man angereist ist.
Aber was ist eigentlich „authentisch“? Was genau suchen wir in der Fremde, das es zu Hause nicht gibt? Und was maßen wir uns mit dieser Suche im Grunde an? Ist das Drehkreuz vor einer Sehenswürdigkeit nicht ebenso authentisch wie diese selbst? Und kehrt man nicht trotz allem bereichert und zu neuen Gedanken angeregt nach Hause zurück? Manchmal ist sogar die Vereinnahmung einer Sehenswürdigkeit durch den Massentourismus ein Erlebnis, man muß es nur zulassen:
Peking … Als ich im Frühjahr 2019 erneut nach China kam, führten nicht etwa nur zwei Seilbahnen hoch zur Chinesischen Mauer bei Mutianyu (wie schon Jahre zuvor, s. 第三十五章 日本和服与德国束腰裙 p. 199ff., notiert), es gab inzwischen auch eine Sommerrodelbahn, auf der man bergab fahren konnte. Eine Rodelpartie von der Chinesischen Mauer? Ich habe es einfach mal ausprobiert, gerade weil es mir an diesem Ort auf den ersten Blick absurd erschien. Und ich muß zugeben, daß es ein Heidenvergnügen war, man konnte auf seinem Schlitten in einem unglaublichen Tempo talwärts rasen! Im nachhinein war ich mir sicher, daß eine solche Bahn in Deutschland aufgrund irgendwelcher Sicherheitsvorschriften gar nicht genehmigt worden wäre. So hatte ich, der ursprünglich „nur“ einen Abschnitt der Chinesischen Mauer kennenlernen wollte, der noch nicht so überlaufen war wie der bei Badaling, einen Geschwindigkeitsrausch erlebt, der mir unvergeßlich bleiben wird.
Was jedoch meine Sehnsucht nach der „authentischen“ Chinesischen Mauer betraf, fuhr ich bei nächster Gelegenheit einfach noch ein Stück weiter weg von Peking und wanderte dann von Gubeikou nach Jinshaling – auf einem Abschnitt, der zum großen Teil nicht mal restauriert ist. So hatte ich am Ende drei völlig verschiedene „Chinesische Mauern“ erlebt, die durch ihre Unterschiedlichkeit mindestens so faszinierend waren, als hätte man im Sinne der Authentizitätspuristen auf Seil- und Sommerrodelbahnen und überhaupt auf den Ausbau zu einem Ziel des Massentourismus verzichtet. Auch das ist Reisen – Sich-Einlassen auf alles, was der Fall ist, selbst wenn es nicht mit den Erwartungen übereinstimmt, die man sich davon gemacht hat. Ein Reisender, der die Augen offenhält und bereit ist, erst mal nur zu staunen, wo sich schnelle (meist negative) Urteile aufdrängen, wird immer bereichert! Daß Sie, die Leser der chinesischen Ausgabe meines Buches, möglichst oft auf ebenjene Weise reisen können, wünsche ich Ihnen. Und zunächst einmal viel Vergnügen beim Lesen! – MP, 29. Juni 2019
Bilder zur chinesischen Ausgabe
Interview in der Zeitschrift Sanlian, Nr.32/2023