Salon der lebenden Schriftsteller

Salon der lebenden Schriftsteller„Literarische Geselligkeit“ ist nicht die Sahnehaube auf einem Literaturfestival, sondern dessen essentieller Bestandteil

erschienen/erscheint bei:

prego Nr.1/2011, 6/5/11.

Entstehungszeitraum: 14/02/2011 - 16/03/2011

Leseprobe

Ein Feuerwerk an Unterhaltung ist noch lange keine Kultur; ob ein einzelnes „Event“ kulturell relevant wird, entscheidet erst unser Umgang mit demselben. Kultur – bis hin zur Eßkultur – ist weit mehr als eine Aneinanderreihung vergnüglich konsumierter Erlebnisse, deren Summe immerhin das Glück der größten Zahl vermehrt. Sie zielt gerade dadurch, daß sie offensichtliche Erwartungshaltungen nicht direkt bedient, ja oft unterläuft, auf eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem gerade Erlebten. Einfach zur Tagesordnung übergehen kann man danach schwerlich; das Erlebte will mittels Kommunikation zu einer Erfahrung verarbeitet werden, und sei’s durch intensive Selbstbefragung, wenn gerade kein anderer Gesprächspartner zur Verfügung steht. Schließlich hat das Erlebnis – beispielsweise eine Lesung – en passant oder explizit ein paar grundsätzliche Fragen in den Raum gestellt, die mit dem Ende der Veranstaltung keinesfalls ihre abschließende Antwort gefunden haben: Wir sind und bleiben noch eine Weile mit dieser unserer Welt konfrontiert, mit unseren Sehnsüchten, Ängsten, Nöten, wie sie sich im Alltag nur selten so komprimiert und klar konturiert zeigen.
Womit wir bei einem wesentlichen Aspekt unseres kulturellen Lebens sind: Das jeweilige Erlebnis – beispielsweise besagte Lesung – ist stets auch Anlaß zu Analyse und Bewertung dessen, was am Ende im kollektiven Gedächtnis einer Gesellschaft bewahrt werden soll. Erst, wenn wir den literarischen Genuß in eine literarische Erfahrung verarbeitet haben, wird aus dem schieren Wohlfühlerlebnis etwas kategoriell anderes, das zunächst Rededruck, im besten Fall eine eminent „läuternde“ Langzeitwirkung erzeugt (…)