Solidarität in Zeiten der Pandemie
Solidarität in Zeiten der PandemieHamburg, 31.5.2020
in der Reihe „Danachgedanken“ auf der Homepage des Goethe-Instituts Kyoto, Juli 2020, zum Text auf Japanisch
In den ersten Wochen der Corona-Pandemie feierte die deutsche Öffentlichkeit eine neue Solidarität im Alltagsleben. Die einen erledigten Einkäufe für Nachbarn, die sich nicht mehr selber auf die Straße trauten; die anderen traten allabendlich Punkt neun auf ihre Balkons, um ihren „Alltagshelden“ Applaus zu spenden. Selbst durch den wütenden Facebook-Post einer Berliner Krankenschwester, der durch die Medien ging – „Euren Applaus könnt ihr euch sonstwohin stecken“ –, ließen sie sich nicht abhalten.
Zumindest mit dieser über Wochen zelebrierten Geste wollten sie sich als verantwortungsbewußte Mitglieder der Gesellschaft präsentieren. Ich wohne in einem der Hamburger Viertel mit Applaus-Balkons; nichtsdestoweniger habe ich immer wieder Einladungen zum klandestinen Corona-Dinner erhalten. Meine Freunde und Bekannten, durchwegs Vertreter der engagiert-liberalen Bevölkerungsschicht, waren erstaunlich findig darin, die Ausgangsbeschränkungen zu unterlaufen. Natürlich stets unter der Versicherung, damit ja niemandem zu schaden.
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