Wir brauchen Babs

Wir brauchen BabsJedenfalls solange, bis es mit der Männeremanzipation endlich losgeht

erschienen/erscheint bei:

u.d.T. „Das neue starke Geschlecht“ in: WELT am SONNTAG, 21/1/01

Entstehungszeitraum: 18/01/2001 - 19/01/2001

Weitere Formate und Veröffentlichungen


Wiederabdr. in: Aargauer Zeitung, 24/1/01

Leseprobe

Eine harte Woche. Erst muß sich unser aller Boris von Babs ohrfeigen (und nebenbei um 30 Millionen erleichtern) lassen, dann reicht auch noch ein russisches Model Vaterschaftsklage gegen ihn ein – Hut ab, das ist nicht leicht zu toppen. Außer von der BILD-Redaktion, die mit der Schlagzeile „War es Samenraub?“ zwar nicht gerade die Faust aufs Auge setzt, jedoch ein genial beklemmendes Fragzeichen hinter eine Geschichte, die seit Jahrzehnten von der Eskalation der Gewalt gegenüber Männern erzählt. Und da paßte‘s auch ganz gut ins Konzept, daß mir ausgerechnet in dieser Woche der wahren Empfindungen eine Frau übern Weg lief, die den Entgegenkommenden voller Wut ins Gesicht schrie: „Hat einer von euch ‘nen Stein?!“ Frauen schrecken heutzutage vor gar nichts mehr zurück – neuerdings nicht mal vor, horribili dictu, Samenräuberei.
Im Gegenteil, man kann davon ausgehen, daß das Beispiel Schule machen wird. Wer, so die aktuelle Millionenfrage, wird wohl die nächste Samenräuberin sein? Hätte sie ihre Gerissenheit nicht schon zur Genüge unter Beweis gestellt – neuerdings durch Bedienen uralter Weibchenklischees -, wäre Madonna sicher ein heißer Tip. Soll sich freilich niemand davor in Sicherheit wiegen, nein, das geht nicht nur Promis verschärft was an, nein, Leser, der nächste sind Sie! Vorausgesetzt, Sie befinden sich noch in einem Alter, da man berufliche Hoffungen an Sie knüpfen kann – der Samenraub zweiter Stufe widmet sich, möglichst breitgestreut, Talenten aller Art, man kann ja nicht wissen, was ein gut gekühltes Reagenzglas in zehn Jahren wert ist.
Was uns erst mal zur heiteren Seite der Angelegenheit bringt – der jetzt über uns kommenden Karriere eines Wortes, das in den Mund zu nehmen, vielmehr, das man sich auf der Zunge zergehen, um Himmels willen, das jeden normalen Satz zum Absturz bringt, ein Wort-Virus allerverhängnisvollster Sorte, die deutsche Variante von „I love you“: „Samenraub“ – welchen Klang das Wort bereits eingedenk von Boris Beckers AOL-Werbespruch hat („Bin ich schon drin? Ich glaub, ich bin drin“), welchen Klang es erst recht durch einen Harald Schmidt erhalten wird („Darf ich auch dich zum Abschluß ganz offen fragen, ob du schon mal …?“)! Wohlig-entsetzte Schauer laufen einem übern Rücken, man würde dies Wort am liebsten aus dem Munde von Eduard Zimmermann hören, „Samenraub XY – ungelöst“ (…)