„Laufen schult die soziale Intelligenz“

„Laufen schult die soziale Intelligenz“Interview: Matthias Lohr

erschienen/erscheint bei:

Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA), https://www.hna.de, 20/6/18

Entstehungszeitraum: 07/06/2018

Interview

Herr Politycki, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben. Wie geht es Ihnen?

Eigentlich gut. Aber leider ist es für mich zur Zeit nicht möglich, regelmäßig zu trainieren. Ich war einfach viel zu viel unterwegs in den vergangenen Wochen, und dann gab es auch noch familiäre Gründe, die es unmöglich gemacht haben, strukturiert an den Sport heranzugehen. Darum bin ich in diesem Herbst auch keinen Marathon gelaufen.

Im vergangenen Jahr sind Sie ja beim Frankfurt Marathon zusammen mit einigen Ihrer Laufkollegen an den Start gegangen, die allesamt als Figuren in Ihrem Roman „42,195“ zu finden sind.

Da ist quasi ein ganzes Buch Marathon gelaufen – eine schöne Idee des Veranstalters! Und für mich als Schriftsteller etwas Einmaliges. Als Läufer war es für mich nach Kilometer 30 aber auch eine bittere Erfahrung, als mich der „Mann mit dem Hammer“ erwischte. Nämlich nicht körperlich, sondern mental. Ich hatte ein paar Monate auf eine neue Bestzeit hin trainiert, lag auch perfekt im Plan – und von einem Schritt zum anderen wollte ich nicht mehr. Ich blieb einfach stehen. Und brauchte ein paar Minuten, bis ich mich zum Weiterlaufen überredet hatte. Ein echtes Debakel.

Sie benutzen sehr gern die Metapher des Marathonlaufs für das Romanschreiben. Aber ist diese Parallele denn tatsächlich ein passender Vergleich? Beim Marathon kann man ja direkt nach dem Startschuss durch das Gedränge viel Zeit verlieren, die man aber im Laufe des Rennens wieder aufholt. Verhält es sich da beim Einstieg in einen Roman nicht anders? Ein Leser würde wohl kaum so lange weiterlesen, bis der Autor die zu Beginn fehlende Spannung nachholt.

Das stimmt, und selbstverständlich lege ich großen Wert auf den Anfang meiner Texte. Der erste Satz als „Startschuss“ ist enorm wichtig, die erste Szene. Ein Schriftsteller schreibt ja nicht nur für sich selbst, sondern in erster Linie für den Leser. Und nur, wenn er zu Beginn Vergnügen hat, wird er auch weiterlesen.
Das sehe ich im Marathon ähnlich: Nur wer das Rennen mit Freude beginnt, wird es mit all seiner positiven Energie laufen, und nur dann kann es gut werden. Zu hundert Prozent kann man sich ja nie an den eigenen Plan halten, aber das Gefühl muss von Anfang an stimmen.

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