Sprachspiele innerhalb und außerhalb grammatischer Regeln

Sprachspiele innerhalb und außerhalb grammatischer RegelnInterview: Hannah Winter

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ausgewertet in: Hannah Winter: Sprachspiele innerhalb und außerhalb grammatischer Regeln. Eine Analyse der Grenze zwischen Sprachspiel und Sprachfehler in der Literatursprache und ihre Auswirkung auf die Arbeit von auf Deutsch schreibenden Autoren deutscher und anderer Muttersprache. München (Magisterarbeit, LMU) 2012.

Entstehungszeitraum: 30/11/2011

Interview (Kompletter Text)

Der Schriftsteller Matthias Politycki, 56, über seinen Job als Kurator beim Münchner Literaturfest 2011, das am Donnerstag beginnt.

Herr Politycki, Sie treten Ihren Chefposten in einer eigenen „Literaturfest“-Abteilung an mit dem ganz schön hochtrabenden Anspruch, eine „Standortbestimmung der deutschen Literatur“ zu präsentieren. Was heißt das genau?

Wir haben für dieses Jahr 50 Autoren der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur ausgewählt, die wir für wirklich gut halten, zum Beispiel den großen alten Schriftsteller Paul Nizon, der mindestens so bedeutend ist wie Martin Walser. Abgesehen von ihren Lesungen, werden sie – zusammen mit 20 Kritikern, die wir ebenfalls eingeladen haben – auch alle je fünf Minuten lang „Klartext“ in unserem täglichen Debattenforum reden, ein Statement darüber abgeben, was ihnen im Augenblick in Bezug auf die deutschsprachige Literatur wichtig ist. Das kann eine Polemik darüber sein, ob wir die Rückkehr des Reims in die Gegenwartslyrik tatsächlich brauchen, eine Tirade über den Zustand des Feuilletons oder eine Abhandlung über die Frage, ob die deutschsprachige Literatur dringend noch mehr Familienromane braucht.

Warum fehlen ausgerechnet die beiden Bestsellerlieblinge dieses Herbstes, der Familienromanautor Eugen Ruge und die Tragödienberichterstatterin Charlotte Roche, in Ihrem Programm?

Eugen Ruge haben wir ja im Parallelprogramm des Literaturhauses. Der Fall Roche liegt anders. In unserer Auswahl konzentrieren wir uns auf Menschen, die sich auch als Schriftsteller verstehen, und das tut Frau Roche explizit nicht. Ein richtiger Schriftsteller ist etwas anderes als eine Moderatorin, die ein Buch schreibt, oder ein Fußballer, der sich dabei helfen lässt. Uns geht es um Literatur im engeren Sinn.

Aha. Und was heißt das genau?

Ich glaube, wir leiden alle unter der gegenwärtigen Aufweichung des Literaturbegriffs. Ich wünsche mir wieder eine Konzentration, eine Rückbesinnung aufs Eigentliche. Dabei bin ich selber ganz sicher kein elitärer Schriftsteller, ich rede am liebsten mit Barkeepern, mit kubanischen Hallodris oder usbekischen Bergführern. Aber man darf nicht immer Äpfel und Birnen zusammenwerfen, wie es viele, auch erfolgreiche, Literaturfestivals tun. Jeder Klempner und jeder Zahnarzt, der seinen Beruf ernstnimmt, findet es traurig, wie wenig Hobbyklempner und Hobbyzahnärzte von ihrem Handwerk verstehen. Da geht es mir ähnlich. Wir wollen uns gar nicht an der deutschen Prominentenliteratur messen. Aber wir wollen die eigentliche Literatur, und nur sie, wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellen.

Und was kann man sich darunter zum Beispiel vorstellen?

Einem wirklichen Schriftsteller geht es nicht um Event und Auflage, sondern um sein Werk. Wie auch um seine Leser, er ist ja nur Schriftsteller, weil er – gerne – für Leser schreibt. Aber dazu braucht er keinen Entertainerlärm. In der wirklichen Literatur ist brutto immer gleich netto.