Von Seidenraupen und Makgeolli

Von Seidenraupen und MakgeolliDer Schriftsteller Matthias Politycki über seine Erinnerungen an Korea

erschienen/erscheint bei:

http://www.goethe.de, 11/2/12

Entstehungszeitraum: 31/10/2011

Übersetzungen

koreanisch (koreanisch/한국어) 

Interview (Kompletter Text)

Bitte umreißen Sie kurz die wichtigsten Stationen in Ihrem Leben.

Conny – Michaela – Sigrid – Dinah – Birgit.

Sie sind 2011 Kurator für das „forum:autoren“ am Literaturfest München. Wie kam es dazu?

Die Idee, jedes Jahr einen anderen Schriftsteller mit der Konzeption eines neuen Münchner Literaturfests zu betrauen, entstand im Gespräch mit Reinhard Wittmann, dem Leiter des Literaturhauses, am Abend des 24.3.2009. Daß die Idee, jedenfalls als „forum:autoren“, dann auch tatsächlich umgesetzt wurde, macht das Münchner Literaturfest bundesweit zu etwas ganz Besonderem.

Die Kuratoren können jedes Jahr ihr Konzept frei wählen. Wie kamen Sie zu Ihrer Idee „Die Welt auf Deutsch“?

Ich bin Reisejunkie, ohne die Fremde könnte ich weder leben noch schreiben, sie weitet den Blick, oft wider Willen, und man kehrt als ein anderer ins Vertraute zurück. Dennoch ist just jener Tag der Heimkehr der wichtigste bei jeder Reise: Man muß wissen, wo man steht, und man will sich zu Hause fühlen, wo man lebt. Das gilt auch im übertragenen Sinne für den kulturellen Raum, den wir lesenderweise bereisen; ich bin nun mal ein deutscher Schriftsteller, da wollte ich die Gelegenheit nutzen, um einmal systematisch Umschau zu halten, wie diese meine literarische Heimat denn heutzutage aussieht.

War es schwierig Programmpunkte zu Ihrem Thema zu finden und/oder genügend Autoren dafür zu begeistern?

Nein; schwierig war es allenfalls, sich bei der Konzeption nicht von den gängigen Erwartungen an ein Literaturfestival leiten zu lassen, sondern sich zu fragen, was wir damit erreichen wollen beziehungsweise was die Besucher eines solch groß angelegten Programms wie dem des „forum:autoren“ erwarten. Gute Unterhaltung? Gewiß auch. Aber vor allem, so meine Überzeugung, Orientierung über den Tag und die Halbjahresproduktion des Literaturbetriebs hinaus. Da war es dann ziemlich schnell klar, daß wir den Münchnern eine veritable Standortbestimmung der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur bieten müssen.

Wenn Sie Ende November auf ein erfolgreiches Literaturfest 2011 zurückblicken können, was wird Sie am meisten gefreut oder stolz gemacht haben?

Wenn es gelingt, die Begeisterung, die uns bei der Planung des „forum:autoren“ beseelt und dann über ein Jahr harter Arbeit beflügelt hat –, wenn es gelingt, diese Begeisterung unseres gesamten Teams hineinzutragen in die Münchner Bevölkerung, dann wäre das genau die Belohnung, die wir uns immer erträumt haben.

Welche Bedeutung kommt dem Münchner Literaturfest Ihrer Meinung nach im deutschsprachigen Raum zu?

Wir sind stolz, daß wir mit über 50 eingeladenen Autoren eine Bandbreite unserer Gegenwartsliteratur abbilden können, wie wir sie in dieser geballten Form schon lange nicht mehr in München gehabt haben. Wir freuen uns, daß wir damit ein Zeichen setzen, das bereits im Vorfeld weit über München hinaus wahrgenommen wird.

Sie sind in München aufgewachsen. Inwiefern hat Sie die Stadt geprägt?

Oh, das fängt bei den Butterbrezn an und geht bis zum ausgiebigen Gebrauch des Konjunktivs. Nicht zu unterschlagen all die Straßenecken, die mir meine eigene Geschichte erzählen, selbst wenn ich mit gesenktem Kopf dran vorbeilaufe. Wahrscheinlich ist es gerade das Gar-nicht-mehr-genau-Hinschauen, das uns zeigt, wo wir zu Hause sind.

Was ist Ihr Lieblingsbuch/Zitat/Text/Gedicht über/zu München?

Die Allerweltsweisheit „Wie’s wuascht is“. Besser kann man eine Entscheidung nicht begründen.

Arbeiten Sie derzeit an neuen Romanen, Essays oder Gedichten? Wenn ja, auf was dürfen sich Ihre Fans wann freuen?

Ich habe ein komplettes Jahr fürs Literaturfest München gearbeitet, daneben war kein Raum fürs eigene Schreiben. Erst am 18.11., wenn meine Kuratorentätigkeit beendet sein wird, kann ich wieder daran denken; dann muß ich mich endlich überwinden, so fürchte ich, einen Roman zu Papier zu bringen, den ich in Gedanken schon seit 23 Jahren mit mir herumschleppe: „Samarkand Samarkand“.

Was bedeutet es Ihnen zu reisen?

Sobald ich im Ausland bin, bin ich auch schon ein anderer Mensch. Wenn ich dann zurückkehre in meine vertraute Umgebung bringe ich ein wenig dieses „Anderen“ in mir mit, nicht zuletzt auch geschärfte Sinne, die sogar zu Hause viel Neues zu entdecken oder zumindest auf andere Weise wahrzunehmen wissen – ein unschätzbarer Gewinn für mein Leben, fürs Schreiben sowieso.